Mittwoch, 10. März 2010
Eins von zwei abstrakten Gemälden an der mir gegenüberliegenden Wand des Wartezimmers hängt verrutscht im Rahmen. Man kann eine Ecke der Bilderrahmenrückseite sehen. Links oben. Die rechte obere Ecke ist noch festgeklebt; vermutlich Tesafilm. Beide Motive zeigen geometrische Formen in Grundfarben. Ich versuche auszumachen ob ein System dahinter steckt, grenzen Komplementärfarben aneinander oder tun sie es konsequent nicht? Ich komme nicht dahinter. Wer ist der Künstler? Sollte man ihn kennen, ist er berühmt oder sind die Bilder vielleicht von der ambitionierten Schwiegertochter der Ärztin? Ein unsinniger Zeitvertreib. Wann war ich das letzte Mal hier? Es muss mehr als zwei Monate her sein, warum hängt niemand das Bild richtig auf? Fühlt sich denn niemand zuständig? Wir sind hier schließlich beim Arzt, so was trägt nicht dazu bei, dass man sich entspannt oder gar besser fühlt. Wie sollen mir diese Menschen hier helfen wenn sie es nicht mal schaffen innerhalb von 2 Monaten ein verrutschtes Bild wieder ordentlich zu fixieren? Und wer weiß wie lange es vorher schon so hing..... Nächstes Mal setze ich mich auf die andere Seite.
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Samstag, 6. März 2010
Ich habe verschwenderisch viel Zeit damit verbracht mit allen möglichen Gegebenheiten zu hadern. "Ich will woanders sein als hier. Ich will jemand anderes sein als ich bin. Alles wird anders (besser) wenn ich erst dies oder jenes erreicht habe." Der Verstand sagt dazu: "Es ist gesünder sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen. Denn Glücksmomente in der Fantasie sind einfach nicht vergleichbar mit denen, die man mit anderen Menschen erlebt, sie bergen nur weniger Risiko." Aber wer hört schon immer auf seinen Verstand? Aber wenn dann das Gefühl schreit: "JETZT UND HIER ist das was zählt! Du hast dich aus Angst vor dir selbst als Statist besetzt obwohl dir eine der Hauptrollen zusteht."
Dann sollte man es sich doch überlegen...
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Mittwoch, 3. März 2010
Nein, tut sie nicht. Sie geht aber auch nicht unter wenn dein Freund dich mit deiner besten Freundin betrügt. Wenn dein Vater mit 52 an Krebs stirbt oder deine Schwester zerstückelt und vergewaltigt im Fluss liegt. Sie geht nicht unter wenn Babys in Gefriertruhen gesteckt werden, Menschen gefoltert und kreischende kleine Häschen bei vollem Bewusstsein das flauschige Fell abgezogen bekommen nur damit irgendeine ignorante reiche Schnepfe sich darin noch luxuriöser vorkommt. Der Welt bist du scheißegal!
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Lieber Joachim,
das Du ein Freak bist weißt Du selbst. Aber dass Du es auf Stefans Geburtstag tatsächlich geschafft hast neben mir in die Bank zu klettern ohne mich anzuschauen ist schon eine starke Leistung, das war wirklich großer Sport! Und dann drehst Du Dich auch noch demonstrativ in die andere Richtung. Gegenüber ist die Bank leer, Simon und Patricia gerade gegangen und ich dachte nur: "Danke! was bist'n du für'n Idiot? " Meine Möglichkeiten waren also
1. schweigen und ins Leere starren.
2. Aufstehen, gehen und woanders hinsetzen oder
3. versuchen ein Gespäch mit dem seltsamen Wesen neben mir zu beginnen.
Wie Du dich bestimmt erinnerst habe ich mich für Möglichkeit drei entschieden und das klappte so überraschend gut, dass ich immer wieder zwischendurch fasziniert dachte: "Wahnsinn, ES KANN SPRECHEN!!!" Es wirkte so als hättest Du nur auf mich gewartet. Hast Du? Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Du schüchtern sein könntest, Du wirkst eher so als wolltest Du in Ruhe gelassen werden (warscheinlich denkst Du jetzt: "Du hast es erraten!!") Jasmin meinte an dem Abend: "Ja, der Joachim... den kenn' ich seit Jahren, aber ich weiß immer noch nicht ob ich ihn zur Begrüßung umarmen soll oder ihm doch lieber die Hand gebe..." Besser kann man es kaum auf den Punkt bringen. Das ist exakt das Gefühl, dass Du vermittelst. Wenn man sich traut und Dich einfach schnappt und drückt, scheint das ja in Ordnung zu sein.. Wenn man sich aber von Deiner Ausstrahlung verunsichern lässt, dann wird aus jeder Begrüßung und jedem Abschied ein furchtbares Gehampel.
An diesem Abend hast Du immer wieder von selbst ein Gespräch mit mir angefangen. Die besten Sätze kamen völlig unvermittelt, wir stehen rum, die Rockmusik dröhnt und Du beugst dich rüber und sagst: "Ich konnte übrigends auch mal Spagat." AHA!
Mein Favorit war aber: "Ich wollte Dich ins Scheinwerferlicht stellen!" Das konnte ich leider nicht richtig würdigen weil ich ziemlich erschrak als Du mich plötzlich von hinten an den Schultern gepackt hast und versuchtest mich wegzuziehen, dem Lichtkegel hinterher. Wie wunderbar ruppig romantisch.
Vielleicht lag es aber nur an der Weinschorle auf die Du umgestiegen bist nachdem du von meiner probiert hattest und von der Du nach eigener Aussage ziemlich schnell betrungen wirst.
Später, als wir zu zweit zusammen saßen hast Du immer wieder gesagt: "Das ist jetzt echt was Privates, was ich dir grad erzähle". Ich hatte ständig ein mulmiges Gefühl was da nun kommen könnte, aber letzten endes waren alle Deine Geschichten in meinen Augen recht harmlos ;-)
Du hast mir das Gefühl gegeben jemand besonderes zu sein, jemand, dem Du vertraust obwohl Du ihn nicht kennst.
Ich brauche eigentlich sehr sehr lange bis ich wirklich jemanden so richtig mag und meistens ist das auch noch mit viel Auf und Ab und Drama verbunden. Bei Dir war das anders. Unaufgeregt. Du standest im Jogging-Anzug in der Tür zwischen Schlaf- und Wohnzimmer und hast Deine Nase im Türrahmen platt gedrückt. Mit einem Auge, sichtlich müde aber auch neugierig, hast Du mich anvisiert und Deine feinen braunen Wimpern haben geflattert. Das sah hinreißend aus. Und weißt Du was ich in diesem Moment dachte? Es war wie bei meiner Wohnungssuche, genau dieses Gefühl braucht man um sich DAFÜR zu entscheiden. Alles ist hell und freundlich, hohe Decken, Dielenboden, große alte Holzflügeltüren, Bad mit Fenster, ein Balkon, sogar eine Spülmaschine in der Küche. Das Herz ist weit und warm erfüllt von dem Eindruck und der Kopf formt bedächtig wohlwollend die Worte: "Jaa.....das kann ich mir vorstellen." Ohne Ausrufezeichen und SchnickSchnack, einfach so eben weil es passt. So war das auch bei dir.
Lola
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